14.10.2024
Treffen der Kirchenführer*innen

Am 18. September war die diesjährige Dankeschön- und Weiterbildungsexkursion des Teams Offene Kirche. Diesmal ging es nach Zerbst/Anhalt und Aken.

Vielleicht ist es Ihnen ja auch schon mal passiert, dass Sie vor einer verschlossenen Kirchentür gestanden und mehr oder weniger laut gebrummelt haben: „Tut mir auf die schöne Pforte, lasst in Gottes Haus mich rein …“. Ja, so selten kommt das gar nicht vor, dass Urlauber, Kurgäste, Pilgerinnen, Radtouristen vor schön renovierten, aber verschlossenen Dorf- oder Stadtkirchen an der Klinke drücken und dann enttäuscht von dannen ziehen. Dagegen haben all jene etwas, die sich teils schon seit Jahren für „entschlossene“ Kirchen einsetzen und als Gästeführerinnen oder Kirchenöffner ehrenamtlich in den Gemeinden unseres Kirchenkreises unterwegs sind. Um dieses Engagement zu würdigen und gleichzeitig neue Erfahrungen und Begegnungen zu ermöglichen organisiert das „Team Offene Kirche“ von Bad Schmiedeberg seit 2007 jährliche „Dankeschön- und Weiterbildungs-Exkursionen“, die in den zurückliegenden fast 20 Jahren u.a. ins sächsische Wurzen (2022) und Krostitz (2013), ins brandenburgische Jüterbog (2012) und Wiesenburg (2015), ins anhaltische Bernburg (2018) und Dessau (2016) und ins sachsen-anhaltische Lützen (2007) und auf den Petersberg bei Halle (2010) führten.

In diesem Jahr hatte Pfarrer i.R. Christoph Krause, der sich seit Anbeginn um diese Touren kümmert, nach Zerbst/Anhalt und nach Aken (Elbe) eingeladen, und es folgten 31 engagierte Ehrenamtliche und ihre Partnerinnen oder Partner, nicht nur aus Bad Schmiedeberg, sondern auch aus Pretzsch und Söllichau, aus Gräfenhainichen und Kemberg, aus Wittenberg und Wartenburg. Bei herrlichstem spätsommerlichen Wetter ging es am Mittwoch, 18. September, zunächst über Dessau-Roßlau in die ehemalige Residenzstadt Zerbst. Auf dem Marktplatz wurden die Reisenden von Frau Agnes-Almuth Griesbach vom hiesigen Stadtmuseum empfangen. Zu Füßen des historischen Roland und der sagenumwobenen „Butterjungfer“ entfaltete sie in anschaulicher und auch sehr persönlicher Weise die wechselvolle Geschichte dieser im Mittelalter bedeutenden Handelsstadt, die ihre Berühmtheit aber auch der hier aufgewachsenen späteren „Katharina der Großen“ verdankt. Ein eher unrühmliches Ende bereitete der Stadt ein fanatischer SS-Führer, der sie zur „Festung“ erklärte und damit die Bombardierung durch die US-Airforce provozierte, die drei Wochen vor Ende des 2. Weltkrieges zur fast vollständigen Zerstörung der historisch so wertvollen Altstadt führte. Davon zeugt auch heute noch die Ruine der St. Nicolai-Kirche unweit des Marktes. Die Besteigung des Südturmes war nun Ziel der Rüstigeren der Truppe, und sie wurden belohnt mit einem Rundblick, der – bei gutem Wetter – bis zum Brocken gehen soll. Aber die Ruine hält noch ein weiteres unrühmliches Relikt bereit: eine Schmähplastik, vergleichbar der Wittenberger sogenannten „Judensau“. Frau Griesbach selbst gehört zu jenen engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die vor einem Jahr dafür sorgten, dass ein Gedenkstein diese Plastik erläutert und zur Besinnung über Gottesebenbildlichkeit und Menschenrechte einlädt – was erfreulicherweise gerade auch von jungen Menschen angenommen wird.

Nach dem so informativen Rundgang durch die nördliche Seite der Stadt waren die Teilnehmenden nach St. Trinitatis eingeladen. Diese Kirche war in dem bi-konfessionellen Städtchen für die Lutheraner eingerichtet worden – während die Reformierten in St. Nicolai feierten. Die barocke Ausgestaltung der Rundkirche, u.a. von Giovanni Simonetti - den wir aus Coswig kennen - gestaltet, ist geradezu überwältigend! Gleichzeitig beeindruckt aber auch die in den letzten Jahren vorgenommene Umgestaltung des Kircheninneren mit Funktionsräumen, welche nun auch gern genutzt wurden, u.a. zum Mittagsimbiss.

Nach einem Mittagsgebet mit Pfarrer Lutz-Michael Sylvester ging es dann weiter in die „Osterkirche“ von Trüben. Ja, was ist das denn! Eine schon fast aufgegebene Dorfkirche wird zum Zielort für Bustouristen aus ganz Europa! Tatsächlich wurde hier – übrigens in guter mittelalterlicher Tradition – die Karwoche nachgestaltet. Auf dem alten Friedhof geht es nach dem Einzug Jesu in Jerusalem in die ehemalige Friedhofskapelle, wo das letzte Abendmahl nicht nur bildlich dargestellt ist, sondern an aufgestellten Tischen mitgefeiert werden kann. Durch den Garten Gethsemane geht es dann über den Kreuzweg, wo jeder auch mal „sein Kreuz auf sich nehmen kann“, nach Golgatha. Möchten Sie hier einen „Sorgenstein“ am Fuß des Kreuzes ablegen? … Eine ehemalige Gruft gewährt den Einblick in das „leere Grab“ – ein Leinentuch allein verweist auf den, der von sich sagt: „was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“. Am Ostermorgen, so erklärte es Pfarrer Sylvester, wird hier die Osterkerze entzündet, die in die dann noch dunkle Kirche geführt wird, wo beim Aufgang der Sonne der uralte Hymnus „Christ ist erstanden“ erklingt – in den die Teilnehmenden auch spontan einstimmten!

Die „Osterkirche“ von Trüben, so war zur erfahren, gehört zu den „Themenkirchen“ der Region rund um Zerbst: die „Weihnachtskirche“ in Polenzko ist dabei, eine Gesangbuch- und eine Bibelkirche und ebenso die Radfahrerkirche von Steckby. Tolle Idee – fanden alle, zumal alle genannten Kirchen verlässlich geöffnet sind!

Eigentlich sollte es nun mit der Fähre über die Elbe ins Schifferstädtchen Aken gehen – aber da machte das Hochwasser einen Strich durch die Rechnung. So musste noch einmal Dessau-Roßlau durchfahren und die Brücke genutzt werden. Aber dieser kleine Umweg wurde belohnt mit einem herzlichen Empfang an der ebenfalls dem Schutzheiligen der Schiffer und Händler gewidmeten Nikolauskirche, wo in einer sehr humorvollen Führung das alte romanische Gotteshaus mit seinem wundervollen gotischen Schnitzaltar vorgestellt wurde. Um die regelmäßige Öffnung der ehemaligen Stiftskirche ist übrigens auch ein Team ehrenamt­licher Helferinnen und Helfer um die Gemeindesekretärin Frau Ingrid Mosebach bemüht.

Und eben dieselben hatten im Gemeindezentrum am Markt auch schon die Tische eingedeckt zum Kaffeetrinken. „Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn“ wurde kirchenjahres­zeitlich angestimmt, um sich dann am mitgebrachten Kuchen zu ergötzen.

Nun gut, nun war es doch fast eine Stunde über dem Plan, aber das hat niemanden gereut. Mit schneller Rückfahrt war das Heimatziel Bad Schmiedeberg gegen 19 Uhr erreicht. Und es blieb nur eine Frage übrig: „Wo geht es nächstes Jahr hin?“

Aber vorher gilt es Dank zu sagen all jenen, die wie „gute Engel“ diese Reise begleiteten: letztmalig das Busunternehmen Schröder aus Zahna, die Kirchengemeinden in Zerbst und Aken, dem Stadtmuseum Zerbst – und allen, die dafür sorgen, dass „die schönen Pforten“ von Gotteshäusern aufgetan werden!

Christoph Krause, Pfr. i. R.


Mehr Fotos

Brunnen in Aken  Christoph Krause St. Nikolai Kirche in Aken  Christoph Krause Altar von hinten in der St. Nikolai Kirche Aken  Christoph Krause Kirchenführer unterwegs  Christoph Krause Osterkirche in Trüben  Christoph Krause Das Abendmahl in der Osterkirche Trüben.  Christoph Krause Das Denkmal Butterjungfer in Zerbst  Christoph Krause Das Denkmal Roland in Zerbst  Christoph Krause Die Ruine von St. Nicolai in Zerbst  Christoph Krause St. Trinitatis in Zerbst  Christoph Krause