10.01.2025
Musikalischer (Un)Ruhestand an der Wittenberger Schlosskirche
Ulrich Hirtzbruch wurde im Oktober als Schlosskirchenkantor eingeführt.
Kirchenmusikdirektor Ulrich Hirtzbruch stammt aus Westfalen und begann seinen beruflichen Weg als Kantor und Kreiskantor im Münsterland. Zuletzt war er knapp zwanzig Jahre lang in Bielefeld und Herford in Leitungsstellen der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) in der Fachberatung und Lehre tätig. Als Prorektor der Herforder Hochschule für Kirchenmusik sah er ebenso wie als Landeskirchenmusikdirektor der EKvW seine Aufgabe darin, „Räume zu schaffen, in denen andere gut arbeiten und studieren können“.
Nach der Verabschiedung am Ende des Wintersemesters begann am 1. April 2024 der wohlverdiente Ruhestand – jetzt wollte er sich eigentlich vorrangig seinen Hobbys zuwenden. Fürs Erste stand das eigene Musikmachen – eine Leidenschaft, die er mit seiner Frau Annette teilt – wieder ganz oben auf der Prioritätenliste. Und dann war da noch sein langersehnter Traum, endlich mehr Zeit zum Segeln zu finden. Eigentlich! Um es mit Wilhelm Busch zu umschreiben: „Denn erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt!“ Denn am 27. Oktober 2024 wurde KMD Ulrich Hirtzbruch an der Wittenberger Schlosskirche feierlich als Schlosskirchenkantor eingeführt. Die Verbindung nach Wittenberg entsteht über seine Frau.
Annette Hirtzbruch stammt aus der Lutherstadt Wittenberg; die Wende hat es möglich gemacht, dass sich beide vor Jahren in Bad Gandersheim kennenlernten. Ulrich Hirtzbruch erinnert sich: „Mit der Schlosskirche verbinde ich die schöne Erinnerung an unsere Trauung durch das Ehepaar Kasparick und die Musik der Eheleute Herzer, mit dem Katharinensaal die Erinnerung an die anschließende Feier.“ Seitdem gab es öfters „musikalische Kontakte“ und Engagements: 2013 einen Gospelworkshop, 2016 ein Bläserkonzert, 2020 einen Wochenschlussgottesdienst mit Orgelmusik und im Sommer 2024 Gottesdienste sowie die Konzertreihe „OrgelPunkt12“.
Am Rande dieser Urlaubsvertretung gab es Gespräche mit dem Kantorenehepaar Sarah und Thomas Herzer sowie mit der Direktorin des Predigerseminars Birgit Neumann-Becker. Ulrich Hirtzbruch: „Aus der ursprünglichen Anfrage, ob ich im Zuge der Vakanz für sechs Wochen die Schola Cantorum Adam Rener auf das Carl-Stein-Oratorium ‚Die Geburt Jesu‘ vorbereiten könne, wurde schrittweise die Frage nach der Überbrückung der nächsten anderthalb Jahre mit den Arbeitsbereichen Schola und Gospelchor, ergänzt durch einzelne Gottesdienste und Konzerte.“
Somit konnte nach dem Abschied von Thomas Herzer ein Teil der kirchenmusikalischen Aufgaben an der Schlosskirche nahtlos in neue Hände übergeben werden, bevor Ende April 2025 auch Sarah Herzer die Schlosskirche und das Predigerseminar verlassen wird und ihre Aufgaben von einer weiteren Person übernommen werden. Neben der Leitung der Schola Cantorum Adam Rener und des seit Jahren hier etablierten Gospelchores steht natürlich die Orgelmusik an erster Stelle seines neuen Wirkens – und damit auch die Orgel.
Ulrich Hirtzbruch ist vom Instrument begeistert und sagt: „Die 1863 durch Friedrich Ladegast erbaute Orgel ist ein großartiges Instrument und verdient fünf Sterne! Es ist ein Geschenk, an diesem frühromantischen Instrument, das ganz in der Tradition Gottfried Silbermanns steht, damit eine besondere Eignung für die Musik Bachs aufweist und gleichzeitig klanglich das Tor weit in Richtung Romantik öffnet, musizieren zu dürfen.“ Und weiter: „Die Einzelstimmen haben ein einzigartiges Kolorit, und die Möglichkeiten der klanglichen Abmischung sind unendlich. Durch den Verzicht auf elektrische Spielhilfen erzieht das Instrument zu einer ökonomischen Registrierungspraxis.“ Dass er diese beherrscht, davon konnten sich die Mitglieder der Schlosskirchengemeinde und die unzähligen Besucher sowie Touristen schon des Öfteren überzeugen.
Die Aufführung des Carl-Stein-Oratoriums „Die Geburt Jesu“ – gemeinsam mit Schola Cantorum Adam Rener, Wittenberger Kantorei und dem Kollegen Christoph Hagemann – setzte einen ersten Akzent. Vor ausverkauftem Haus fand das Silvesterkonzert „Besinnliches und Heiteres vom Barock bis zur Gegenwart“ statt – zusammen mit Frank Liebscher am Saxophon und Lesungen durch Birgit Neumann-Becker. Das Gottesdienst- und Konzertprogramm für 2025 ist in der Planung und verspricht viele musikalische Highlights.
Und was wird nun mit den hochgelobten und lang ersehnten Hobbys im Ruhestand? Ulrich Hirtzbruch: „Die Realisierung des Geplanten ist jetzt etwas eingeschränkt, aber auch neben meiner Teilzeitanstellung in Wittenberg möglich. Und natürlich soll es auch weiterhin Zeit für die sieben Enkelkinder geben. Ich bin dankbar, dass sich meine Frau Annette – als leidenschaftliche Chorsängerin – über meine neue Aufgabe freut und dass ich dabei und dafür ihre volle Unterstützung habe.“
Andreas Bechert