26.02.2021
Orgel - Instrument des Jahres 2021
Ein Werk von mächtigem, würdevollem Klange: Die Geißler-Orgel in Mügeln
Einen wahren Schatz besitzen die Menschen von Mügeln im Kirchenkreis Wittenberg mit der Geißler-Orgel in ihrer Dorfkirche.
Mit großem Engagement haben sie das Kleinod der Orgelbaukunst wieder zum Klingen gebracht. Vor etwa 140 Jahren hatte sich die Kirchengemeinde vorgenommen, eine neue Orgel zu bauen. Im Februar 1882 schickte Conrad Geißler einen ersten Kostenvoranschlag für eine neue Orgel nach Mügeln. In dem folgenden Vertrag dazu von 1885 wurde Folgendes festgelegt: „… ein gutes, schön klingendes und allen Regeln der Orgelbau Kunst entsprechendes Werk herzustellen und dasselbe so zeitig aufzustellen, dass es spätestens am 1. August 1885 eingeweiht werden kann.“ Die Orgel wurde am 19. September desselben Jahres abgenommen. Im Abnahmeprotokoll ist zu lesen: „… das Werk, wie es jetzt dasteht, (ist) in seiner Gesamtwirkung von mächtigem, würdevollen Klange und auch jede einzelne Stimme gelangt zu ihrer Geltung … Alles in Allem ist Herrn Geißler hiernach das ehrenvolle Zeugnis auszustellen, dass er dies sein Werk mit künstlerischer Meisterschaft und anerkennenswerther Reallität ausgeführt hat.“
1917 wurden die sichtbaren Zinnpfeifen zu Kriegszwecken ausgebaut und durch Zinkpfeifen ersetzt. Glücklicherweise hat die Firma Rühlmann vor dem Ausbau alle Maße und Mensuren dokumentiert, so dass der Prospekt wieder originalgetreu rekonstruiert werden konnte. 1935 wurde die Orgel dem Zeitgeschmack entsprechend „modernisiert“. Die Firma Köhler aus Pretzsch gestaltete die Orgel zu einer pneumatischen Orgel um. 2011 wurde vom GKR wurde beschlossen, die Orgel durch die Orgelbaufirma Rainer Wolter aus Dresden gründlich zu sanieren und in den ursprünglichen Zustand des Orgelbauers Conrad Geißler rekonstruieren zu lassen. Die umfangreichen Arbeiten an der Mügelner Orgel begannen im März 2012. Als erster Arbeitsschritt wurden die gesamten pneumatischen Teile und der Spieltisch ausgebaut. Die Kirchengemeinde Düßnitz, welche auch eine Geißler-Orgel hat, stellte Teile ihrer Orgel für die Abnahme von Maßen und anderen Details zur Verfügung. Das gesamte Pfeifenwerk und die Windladen wurden ausgebaut. In der Werkstatt von Friedhelm Kralisch wurden durch die Orgelbauer die Windladen aufgearbeitet und unzählige Holzteile neu gebaut. Ronald Horst baute Wellenbretter, Wellen und Wellenhalter nach historischem Muster und Eckardt Jöricke aus Axien stellte die vielen neuen Mechanikärmchen her, die dann von den Orgelbauern in die Wellen eingepasst wurden. In dieser Mügelner Werkstatt wurden weiterhin viele mechanische Teile gefertigt. Ein neues Pedal, neue Holzpfeifen, Wippen, Abstrakten und vieles mehr entstand dort täglich neu.
Während in Mügeln vor allem Holzarbeiten anstanden, machte sich in der Schweiz die Metallpfeifen AG Pircher an die Arbeit, um die Metallpfeifen aufzuarbeiten. Die von Köhler veränderten Pfeifen der Gambe wurden restauriert, „angelenkt“ und wieder zur Gambe gemacht. Einige fehlende Pfeifen der Mixtur wurden neu gebaut und die sichtbaren Pfeifen des Prospektes nach der alten Zeichnung von Rühlmann neu hergestellt. Um eine exakte Rekonstruktion der Mechanik zu erreichen, beauftragte Rainer Wolter die Kunstschlosserei Andreas Lau in Halle, Metallwellenhalter, die Winkel und Verbindungsstifte der Registerzüge nach historischem Muster anzufertigen.
Was nun noch fehlte, waren neue Klaviaturen und der Spielschrank mit dem Notenpult, die typisch für die Geißler-Orgeln sind. Hier half ebenfalls das Muster aus Düßnitz, um diese Sachen für die Orgel in Mügeln historisch stimmig zu bauen. Für diese Arbeiten wurden durch Wolter der Klaviaturbauer Thomas von Wolffersdorff aus Leipzig und der Orgelbauer Thomas Schildt aus Halle beauftragt. Beide haben eine wunderschöne Spielanlage geschaffen, die bis ins Detail nach der Geißler-Vorlage abgestimmt ist. Die ursprüngliche Farbfassung von Conrad Geißler konnte nicht mehr belegt werden. So einigten sich Experten und Behörden auf einen hellen Farbton, der mit den vergoldeten Verzierungen der Schleierbretter und den neuen silbernen Prospektpfeifen korrespondiert.
Durch diese gelungene Rekonstruktion kann sich die Kirchengemeinde Mügeln über dieses Kleinod der Orgelbaukunst freuen. Neben vieler finanzieller Förderung und Unterstützung haben die Mügelner, federführend war Volkmar Genterczewsky, viele Spendenaktionen selbst ins Leben gerufen und damit einen kleinen Teil zur Orgelrestaurierung beigetragen. So wurden Kalender gestaltet, Benefizveranstaltungen am Mügelner Backhaus veranstaltet, „Pfeifenpatenschaften“ begründet und ein KOchbuch wurde erstellt. Das ganze Dorf, ob konfessionell gebunden oder nicht, jung oder alt, hat sich daran mitbeteiligt.
Ein Beitrag von Kreiskantor Michael Weigert