19.11.2020
Gedanken zum Ewigkeitssonntag

von Pfarrer Dr. Matthias Schollmeyer aus Zahna

Herbstlaub bedeckt den Boden. Bei Rilke lesen wir: „Die Blätter fallen, fallen wie von weit, / als welkten in den Himmeln ferne Gärten; / sie fallen mit verneinender Gebärde. / Und in den Nächten fällt die schwere Erde / aus allen Sternen in die Einsamkeit. / Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. / Und sieh dir andre an: es ist in allen. / Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen / unendlich sanft in seinen Händen hält.”

In Rilkes Versen schwebt ein großes Gewährenlassen und Vertrauen hinaus ins Weite und Fragliche. Zwar fallen wir tatsächlich – aber werden in unserem Fallen auch gehalten. Das ist die Botschaft des Ewigkeitssonntags, des Gedenktags der Entschlafenen, des Letzten Sonntags im Kirchenjahr, des Totensonntags oder Totenfestes, wie es ganz früher einmal hieß. Fünf Begriffe hat unsere Sprache für diesen Tag gefunden, der in diesem Jahr zugleich der der Heiligen Cäcilie ist (22. November).

Die Christenheit hörte nie auf, ihrer Entschlafenen und besonders der Märtyrer zu gedenken. Frauen, Männer und Kinder. Die Kirche tut das, indem sie Todestage in „Geburtstage besonderer Art” umwidmet. Sie dient dabei nicht den Toten, sondern dem, der das Leben schenkt, nimmt und zurückgibt. Wenn auch wir einmal wie Blätter fallen (möge der Tag fern sein), werden die bereits Vollendeten uns begegnen.

Der Kirchenlieddichter Johann Matthäus Meyfart hat das 1626 folgendermaßen imaginiert: „Was für ein Volk, was für ein edle Schar / kommt dort gezogen schon? / Was in der Welt an Auserwählten war, / seh ich: sie sind die Kron, / die Jesus mir, der Herre, / entgegen hat gesandt, / da ich noch war so ferne / in meinem Tränenland.”  Die vierte Strophe aus dem Lied „Jerusalem, du hochgebaute Stadt!“ (EG 150). Auswendig müsste man das können. Wenn wir von den Gräbern auf den Kirchhöfen aus durch die kahlen Zweige entlaubter Bäume zum herbstlichen Himmel aufblicken, rücken diese Verse uns nahe …