13.02.2018
Brehna: Ehrenamt wohin man schaut
Brehna. Wer auf der A 9 unterwegs ist, dem begegnet zwischen den Anschlussstellen Zörbig und Wiedemar (oder umgekehrt) kurz vor der Abfahrt Nummer 13 in Richtung Halle ein Schild mit dem Hinweis „Autobahnkirche Brehna“. Schon von Weitem macht Brehna’s Gotteshaus durch seine einzigartige Silhouette bedeutungsvoll auf sich aufmerksam. Näher betrachtet sind es eigentlich sogar zwei Kirchen in einer, die wir da nun vor uns haben; und das nicht nur, weil diese Kirche zugleich Gemeinde- und Autobahnkirche ist.
An die Pfarrkirche St. Jakobus schließt sich südöstlich die Klosterkirche St. Clemens an. Die Klosterkirche gehörte zum 1201 durch Hedwig von Böhmen gegründeten Augustinerinnen-Chorfrauenstift. Deren Schwiegervater, Konrad der Große, führte als Begründer des Hauses Wettin den berühmten Dresdener Fürstenzug an. Die wohl bekannteste Bewohnerin des Klosters war Katharina von Bora. Sie wurde hier in den Jahren 1504 - 1508 von den Augustinerinnen erzogen. Ihr ist heute auch eine Dauerausstellung in der Kirche gewidmet, die man auf der Empore findet. Der Westturm der Pfarrkirche ist deren ältester Teil und stammt wohl aus der Zeit um 1200 oder noch etwas davor.Im unteren Teil des Turmes lädt der Raum der Stille nicht nur die Autofahrer zum Innehalten ein. Durch die geöffnete Tür wird der Blick auf einen romanischen Taufstein und das einem romanischen Kreuz nachempfundene Kruzifix gelenkt. Dieses wurde der Kirche im Jahre 2004 von dem Brehnaer Bildhauer Michael Weihe gestiftet. Dem Raum der Stille gegenüber befindet sich der barocke Hochaltar aus dem 17. Jh. mit Teilen eines Schnitzaltars aus dem 16. Jahrhundert. Eine Besonderheit sind die beiden evangelischen Beichtstühle aus dem 18. Jahrhundert links und rechts vom Altar. Der im oberen Teil der Kirche gelegene ehemalige Nonnenchor des Klosters ist heute die Winterkirche. Darunter befindet sich die 2003 eröffnete Begegnungsstätte, die den Charme eines urigen Klosterkellers vermittelt und zum Verweilen einlädt.
Ende Januar trafen sich hier drei Männer und eine Frau… zum Gespräch, zum Kennenlernen und zum gegenseitigen Zuhören. Arrangiert hatte das Treffen Andreas Bechert – seines Zeichens Leiter der Akademie für das Ehrenamt im Kirchenkreis Wittenberg* und praktizierender Prädikant. Zum ersten Mal in Brehna in der Kirche, wollte er nachfragen und schauen, wie es den Ehrenamtlichen hier geht und wie es um deren Arbeit vor Ort bestellt ist. Am Tisch nahmen Platz: Annelies Schlesinger vom Gemeindekirchenrat, die nebenbei noch als Lektorin ihren Dienst tut. Weiterhin Bernd Löchel, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates und schließlich Gunter Daum mit (s)einer Dreifachfunktion: Stellvertreter von Bernd Löchel, Vorsitzender des hiesigen Fördervereins Stadt- und Klosterkirche e.V. und – last but not least – passionierter Kirchenführer. Und zu zeigen und zu erklären gibt es hier allerhand.
Die Stadt- und Klosterkirche wurde 2003 offiziell zur Autobahnkirche deklariert und zählt heute zum Pfarrbereich Sandersdorf-Brehna. Das Gotteshaus ist von jeher Jakobus dem Älteren geweiht, dem Missionar Spaniens, zu dessen Grab in Santiago de Compostela die Menschen seit dem 8. Jahrhundert pilgern. So liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei der Brehnaer Pfarrkirche um eine entlegene Station des Jakobusweges handelt und dass bereits in vorreformatorischer Zeit Menschen auf ihrem Weg nach Süden in der Kirche Ruhe und Einkehr fanden. Um diesen Gedanken wieder aufleben zu lassen, wurde nach der Sanierung die Kirche auch für die Reisenden geöffnet – Pilgerstempel eingeschlossen.
Doch jeder weiß, dass sich eine Kirche nicht von selber öffnet, geschweige denn schließt. Hier ist und war schon immer das Ehrenamt gefragt. Früh schließt die Gemeindesekretärin Sonnhild Becher die schwere Eichentür auf, am Abend kommt immer einer von den Ehrenamtlichen vorbei, je nachdem, wer gerade „Schicht“ hat. Aufgeschlossen wird immer früh um 8 Uhr – Zapfenstreich ist dann im Sommer um 20 Uhr und im Winter um 18 Uhr. „Bewacht“, so erzählt Bernd Löchel, wird die Kirche in der Öffnungszeit nicht. Man vertraut denen, die da kommen. Und es kommen viele Menschen. Das Autobahnschild hat sie herbeigelockt oder man ist auf dem Jakobsweg in Deutschland unterwegs oder auf dem Lutherweg. 2017 stand ganz im Zeichen des Reformationsjubiläums und Brehna wurde zur unabdingbaren Station der Katharina von Bora-`Fangemeinde`. Auch andere Durchreisende lockt die „Verlässlich geöffnete Kirche“. Annelies Schlesinger erinnert sich, lacht und berichtet von einer Busreisegesellschaft samt Pfarrer, die hier mal kurzerhand Station machte und einen Gottesdienst feierte, ohne dass man in der Gemeinde vorher etwas davon erfahren hatte.
Das Ehrenamt bei Kirche ist aber noch viel mehr. Gemeindekirchenrat, Lektorendienst, Förderverein oder Kirchenöffnung sind nur die Spitze des Eisberges. Andreas Bechert weiß, wovon er spricht. Unter dem Dach der Akademie für das Ehrenamt im Kirchenkreis Wittenberg sind – grob geschätzt – weit über 1000 Ehrenamtliche vereint. Für fast alle ist Ehrenamt bei Kirche selbstverständlich. Da gibt es gar keine Diskussion. Keine Rede wert! Denn einer muss es ja machen… sich um den Blumenschmuck auf dem Altar zu kümmern; die Nachbarin mit zum Gottesdienst in die Stadt zu nehmen; den Friedhof zu verwalten und zu pflegen; mit den Kleinen am Sonntag Kindergottesdienst zu feiern; den Gemeindebrief bei Wind und Wetter auszutragen; die vom Sturm abgerissenen Äste vor der Kirche einzusammeln; sonntags die Orgel beim Gottesdienst zu spielen oder im Chor mitzusingen. Ohne Ehrenamt geht bei Kirche nix! Andreas Bechert weiß auch, dass – rein statistisch – die meisten Ehrenamtlichen in Deutschland, nach den Sportvereinen, in der Kirchengemeinde unterwegs sind. Die Akademie für das Ehrenamt gibt es seit über 4 Jahren. Sie offeriert die unterschiedlichsten Angebote und Veranstaltungen, zu denen die Ehrenamtlichen eingeladen werden. Neben der Weiterbildung stehen in erster Linie das gegenseitige Kennenlernen und der Erfahrungsaustausch im Mittelpunkt dieser Treffen. Gunter Daum zum Beispiel ließ sich vor 18 Jahren in der Wittenberger Schlosskirche zum ehrenamtlichen Kirchenführer ausbilden. Annelies Schlesinger ist als Lektorin im Pfarrbereich unterwegs – und das schon seit Jahren. „Ich findet es gut“, meint sie, „wenn sich die Lektoren einmal im Jahr treffen – der Erfahrungsaustausch ist für uns wichtig!“ Ehrenamt, wohin man schaut…
Stephanie Bechert